Wieso ich meine Social Media- und WhatsApp-Konten gelöscht habe

Vor einigen Monaten habe ich alle meine Konten in Sozialen Netzwerken gelöscht. Und in den nächsten Tagen wird bald auch mein WhatsApp-Konto auf meinem Zweit-Smartphone gelöscht. Das hat doch zu einiger Verwirrung und Fragezeichen rundum geführt und ich möchte meine Motive dahinter kurz erläutern, die Probleme schildern und beschreiben, auf welche Alternative ich eventuell bald setze.

Vor einigen Monaten resp. schon Jahren habe gestaffelt ich all meine Social Media Konten gelöscht. Dazu gehören Facebook, Twitter, Instagram und LinkedIn. Zusätzlich nun auch WhatsApp als Messenger-Dienst.

Meine Löschaktion hat im Umfeld zu einiger Verwunderung und Fragezeichen geführt. Die Motive dahinter die mich zu diesem vermeintlich radikalen Schritt bewegt haben, möchte ich kurz erläutern und auf mögliche Alternativen eingehen.

Letztendlich sind das teils altbekannte Gründe:

  • Polemisierung und Polarisierung
  • Aufmerksamkeitssucht und Reichweitenjagd der Benutzer
  • Algorithmen und verstärkte Einbindung von KI
  • Umgang mit Desinformation
  • Problematischer Datenschutz
  • Verantwortungsloses und opportunistisches Verhalten der Anbieter

Je nach Netzwerk fallen diese Punkte unterschiedlich stark ins Gewicht, aber die bisherige Geschichte zeigt, dass die Entwicklung in eine negative Richtung zeigt.

Bild von Social Media Apps
Social Media Apps, Bild von Iqbal Nuril Anwar auf Pixabay

Auf die einzelnen Punkte einzugehen, fühlt sich überflüssig an, weil letztendlich alles seit Jahren bekannt ist. Aber der Vollständigkeit halber möchte ich doch ein paar Sätze darüber verlieren.

In einer Studie von 2024 hat das Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz herausgefunden, dass jede zweite Person online mindestens einmal beleidigt wurde. Dieser Hass richtet sich dabei vor allem gegen Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund oder anderer sexueller Orientierung. Neun von zehn Menschen sind der Meinung, dass der Hass im Netz in den letzten Jahren zugenommen hat (Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz, 2024, online).

Diese ständige Konfrontation mit Hass und Hetze in Sozialen Netzwerken hat weitreichende negative Effekte. So ziehen sich Betroffene zurück und verstummen. Die Meinungshoheit wird deren überlassen, die Hass oder Falschinformationen verbreiten. Dass sich das zusätzlich auf die eigene Gesundheit auswirkt, weil Angst, Panik, Stress oder gar Depressionen ausgelöst werden, ist eine weitere Folge (IKK, 2024, online).

Meta, Mutterkonzern von Facebook, Instagram und WhatsApp, ging dagegen bislang nicht nur ungenügend vor sondern unterstützt die Verbreitung und der damit verbundenen Manipulation von Nutzern mit Hilfe von Algorithmen. Seit der erneuten Wahl von Donald Trump als US-Präsident konnte CEO Mark Zuckerberg die bislang wohlformulierten Bekundungen zur Unterstützung einer liberalen Gesellschaft oder gegen Hatespeech gar nicht schnell genug über Bord werfen (Handelsblatt, 2025, online). Gerne zeigte man sich auch in der ersten Reihe bei der Angelobung von Trump und finanzierte diese auch gleich mit (Puls24, 2025, online).

Reichweite ist in Social Media der entscheidende Massstab. Abseits von nackter Haut, erzielt man diese natürlich vor allem mit emotional aufgeladenen, polarisierende und kontroverse Beiträgen, die auch gerne fernab der Faktenlage sein können, damit die Gegenreaktion entsprechend heftig ist. Die von diversen Netzwerken verwendeten Algorithmen verhelfen gerade diesen Beiträgen zusätzlich zu mehr Interaktion und Reichweite.

Auch in beruflichen Netzwerken spielen einige User geschickt die Klaviatur dieser Form des Selbstmarketings, indem polarisierende Posts kombiniert mit grandioser Selbstüberschätzung veröffentlicht werden. Diese seltsame Kombination von selbstsicherem Auftreten und Fishing for Compliments ist so zum Beispiel bei LinkedIn sehr verbreitet. Zuweilen amüsant, meistens aber gefühlt Hochstapelei.

Zumindest die Expertise in der Aufmerksamkeitsökonomie und im Selbstmarketing ist zweifellos vorhanden,

Meta, X & Co. analysieren das Verhalten der Nutzer, zum Beispiel durch Likes, Kommentare und Verweildauer, um Profile und Interessen zu erstellen. Die so gewonnen Daten sind die wichtigste Grundlage für personalisierte Werbung und sollen die Einnahmen maximieren. Benutzerseitige Interaktion oder Informationsbeschaffung dient dafür als Vehikel.

Die Daten werden dann oft auch an Drittunternehmen weitergegeben oder verkauft. Letztendlich ist dagegen nichts einzuwenden: Es ist letztendlich ein valides Finanzierungsmodell und niemand wird gezwungen, dieses zu unterstützen.

Kritisch ist es allerdings, weil Nutzer häufig nicht genau wissen, welche Informationen erfasst werden und wie sie verwendet werden. Zudem besteht das Risiko von Datenmissbrauch, etwa durch Manipulation, Überwachung oder Identitätsdiebstahl.

Die Datensammelwut bei Sozialen Netzwerk ist hinlänglich bekannt. Dass aber auch der Messenger-Dienst WhatsApp Datenschutzprobleme hat, belegt alleine schon die Busse von 225 Millionen Euro wegen DSGVO-Verstosses sowie diverse Verfahren gegen Meta (Dr. Datenschutz, 2021, online).

So fand auch ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen Bundeskartellamt und Meta wegen des Zusammenführens von Nutzerdaten aus seinen verschiedenen Diensten statt. Dadurch wäre es Meta möglich, Daten über die Aktivitäten innerhalb und außerhalb der verschiedenen Meta-Plattformen zu erfassen und sie den Nutzern zuzuordnen. Surfen Nutzer also zeitgleich auf anderen Websites, könnte Meta diese Daten für personalisierte Werbung anhand der erfassten Präferenzen verwenden (LTO, 2023, online).

Das Verfahren ist mittlerweile abgeschlossen, da die Nutzer die notwendigen Kontrollen über den Austausch zwischen den Diensten erhalten haben (Fachanwalt.de, 2025, online). Es sei dahingestellt, ob die Nutzer dies bei der Konfiguration wirklich verstehen und die Konsequenzen abschätzen können. Dieses Beispiel zeigt aber auf jeden Fall, was mit kombinierten Datensammlungen alles möglich ist.

Gerade in den letzten Monaten ist sehr deutlich geworden, wie gefährlich die Abhängigkeit gegenüber den USA ist. Mittlerweile kann man nichts ausschliessen, alles ist möglich. Nicht ohne Grund verzichtet z.B. das Dänische Digitalministerium mittlerweile komplett auf Microsoft-Produkte (Heise Online, 2025, online). Andere mögen auf bessere Zeiten hoffen, nur diese Vorsicht ist nicht erst seit Trumps Präsidentschaften gegeben sondern seit Jahrzehnten.

Aus diesem Grund braucht es schon lange europäische Alternativen für digitale Produkte und Dienste!

Die gute Nachricht: Es gibt sie! Die schlechte Nachricht: Es verwenden sie deutlich weniger Nutzer, was gerade bei Netzwerken und Messengers ein kritischer Entscheidungsfaktor für potentiell neue Nutzer ist. Die Website european-alternatives.eu listet in zahlreichen Kategorien diese Alternativen auf. Das heisst jetzt nicht, dass sie besser oder zwingend zu empfehlen sind, aber es sollte zumindest eine Überlegung wert sein.

Gerade bei Sozialen Netzwerken und Messengers gibt es Lösungen, die den Platzhirschen aus den USA im Bereich Datenschutz weit überlegen sind und von der Funktionalität her sich absolut nicht verstecken müssen. Soziale Netzwerke wie Mastodon, Pixelfed oder Pleroma sind zudem alle Open Source und föderierte - also nicht zentral betriebene - Dienste. Der Messenger-Dienst Threema ist sogar aus der Schweiz und wird von IT-Security- und Datenschutz-Experten als Alternative zu WhatsApp empfohlen (Kuketz, 2020, online).

Gerade Open Source und Datenschutz sind für mich zwei entscheidende Faktoren, wo sich Europa gegenüber USA und auch China abgrenzen könnte, sofern Politik und Wirtschaft entsprechend entscheiden und handeln. An Expertise und Ressourcen sollte es auf jeden Fall nicht mangeln.

Nach all dem, was man über die Netzwerk-Betreiber weiss, sollte es doch eher beunruhigen, dass sie nun verstärkt Künstliche Intelligenz in ihre Plattformen integrieren möchten. Es erstaunt nicht, dass z.B. Meta einmal mehr beweist, wie wenig sie sich um die Privatsphäre ihrer User scheren.

Gemäss Techcrunch möchte Meta in Facebook auf die Foto-Mediathek der Nutzer zugreifen, um mithilfe von KI personalisierte Inhalte wie Collagen oder Rückblicke zu erstellen. Dafür werden auch nicht hochgeladene Fotos regelmäßig in die Cloud auf Meta-Server übertragen (Techcrunch, 2025, online).

Selbstredend birgt dies erhebliche Risiken für die Privatsphäre, da sensible Bilder das Gerät verlassen und potenziell missbraucht oder analysiert werden könnten. Kritisch ist auch, dass Nutzer der Funktion möglicherweise zustimmen, ohne die volle Tragweite der Datenweitergabe zu erkennen. Dass gerade Soziale Netzwerke unfassbar viele Daten über die einzelnen Benutzer haben, ist klar. Dass man damit KI-Modelle trainierenwird, liegt auf der Hand.

Auch in WhatsApp hat Meta KI-Funktionen integriert, welche sich wenig überraschend nicht entfernen lassen (Stand August 2025). Vielmehr ist man selber verantwortlich, dass die KI nicht zu viele Daten sammelt, denn diese wird sie auf jeden Fall an Meta weiter geben! Das ist deshalb möglich, weil bei der Verwendung der KI die Verschlüsselung von WhatsApp aufgehoben werden muss (SRF, 2025, online).

Und es ist so sicher wie das Amen in der Kirche, dass alle anderen Betreiber von Sozialen Netzwerke sich ähnlicher Methoden bedienen werden. Das Datengold wird überall abgeschürft, unabhängig wie sensibel es ist. Hauptsache, das eigene KI-Modell kann im globalen Wettstreit profitieren. Es erstaunt deshalb ganz und gar nicht, dass Elon Musk, der Betreiber von X (ehemals Twitter) sich Zugang zu hochsensiblen Regierungsdaten verschaffte und damit mutmasslich seinen Chatbot Grok mit Informationen fütterte (Reuters, 2025, online).

Die oben erwähnte Problematik bezüglich Fake News wird durch KI-Einbindung nochmals signifikant verschlimmert. Selbst auf den zweiten und dritten Blick glaubwürdige Fotos oder mittlerweile auch Videos, die absolut nichts mit der Realität zu tun haben, überschwemmen ungebremst die Sozialen Netzwerken. Dass sich politische Gegner dieser Mittel ebenfalls bedienen, erstaunt nicht. Das mag teilweise witzig sein, aber diese ständig zunehmende Entkoppelung von der Wirklichkeit ist meines Erachtens ein massiv unterschätztes Problem. Wahlmanipulationen mögen dabei das offensichtlichste, aber bei weitem nicht das einzige Problem sein.

Dass sogar Betreiber selber KI-Bots in ihre Netzwerke einschleusen, beweist einmal mehr, wie wenig Verantwortungsgefühl und Bewusstsein über die Konsequenzen ihres Handelns sie tragen. Natürlich fällt Meta einmal mehr hier negativ auf (t-online, 2025, online).

Es braucht nicht viel Fantasie um die psychischen und gesellschaftlichen Folgen abzuschätzen. Die Befürchtung, dass man die Realität nicht mehr als solche erkennen kann oder anerkennen will und sich lieber in einer Scheinrealität verlieren möchte, weil diese lustiger, spannender oder dramatischer ist, ist definitiv gerechtfertigt und zeigt schon längst seine negativen Folgen.

Persönliches Fazit

Aus den oben genannten Gründen habe ich mich entschieden, Social Media aus den USA (und selbstredend auch China) konsequent zu meiden. Letztendlich ist alles schon seit Jahren bekannt, neu ist höchstens die massive Anwendung von KI-Funktionen. Und ja, ich verwende selber KI, aber für mich gehört KI in der aktuellen Form explizit nicht in Social Media und Messenger-Dienste, weil sie die Verbreitung von Desinformation massiv beschleunigt, nur die Aufmerksamkeitsoptimierung fokussiert und Eingriffe in die Privatsphäre vereinfacht.

Selbstkritisch muss ich sagen, dass ich diese und auch die andere negative Entwicklungen letztendlich ignoriert habe. Ich habe selber Online Marketing studiert, betrieben und deshalb auch von der Datensammelwut der Betreiber profitiert. Aber vor allem die symbiotische Beziehung von Trump und den opportunistisch handelnden Anbietern zeigen mittlerweile ein enormes Missbrauchspotential, welches mittlerweile auch immer mehr erschlossen wird. Staatliche Regulieren werden immer mehr abgebaut, sofern sie denn überhaupt existierten.

Aber auch Unternehmen müssen abwägen, ob die Sozialen Netzwerken ihren Unternehmenswerten gerecht werden, oder ob sie ihre Reputation aufs Spiel setzen wollen. Sie tun jedenfalls sehr gut daran, sich Gedanken zu machen.

Das Verständnis und die Sensibilität zu den bekannten Kritikpunkten sind sehr individuell. Für mich selber überwiegen die negativen Effekten deutlich, das mag aber für andere nicht der Fall sein. Es ist letztendlich ganz einfach eine Frage des persönlichen Prinzips, nach dem man sich orientieren und entscheiden sollte. Meine Kritik trifft letztendlich auch nicht die Idee von Social Media oder Messenger-Dienste an sich, sondern die Art und Weise wie Meta, X & Co. diese betreiben.

Deshalb setze ich auf Alternativen aus Europa, die meinen Wertvorstellungen deutlich näher sind.

Quellen

Bildquellen

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